Marcus Beuter und Stephan US

Marcus Beuter

von hier aus …
… sieht die Welt ganz anders aus

Zumeist beschäftigen wir uns mit anderen Ländern aus zwei verschiedenen Blickwinkeln: Entweder setzen wir das Land in Bezug zu uns oder schauen zumindest aus unserer Sicht, aus dem Blickwinkel unserer Geschichte, unserer Interessen auf das Land. Oder wir schauen auf ein Ereignis, ein Thema in dem Land, gegebenenfalls bei Konflikten noch auf die beteiligten Länder. Nur selten schauen wir mit dem Blickwinkel der Menschen des Landes auf die Welt, ohne dass diese notwendigerweise Bezug auf uns nähmen. Wie sehen sie die Welt? Welche anderen Länder nehmen sie auf welche Weise wahr? Wer ist wichtig für sie?

Auf einer einjährigen Reise vom Kaspischen Meer durch Zentral- und Ostasien bis Japan hat Marcus Beuter über 50 Interviews in 16 Sprachen geführt. Aus diesen Interviews und zahlreichen field recordings entwickelte Beuter eine mehrkanalige Klanginstallation.

Foto: StephanUS_VG_BildKunstBonn2024

 

Stephan US

115 cm – Nomadic No Man’s Land

Stellen Sie sich vor, sie müssten sich täglich 115 cm mit ihrem gesamten Hab‘ und Gut nordwärts bewegen: Jeden Tag – ihr Bett, ihren Herd, Kühlschrank, Tisch und Stuhl, ihr Dach über dem Kopf, geschweige denn, alle anderen Habseligkeiten – diesen einen GROSSEN Schritt bewegen. Eine immense und absurde Kraftanstrengung.

Doch laut einer Studie1 verlagert sich das Klima im globalen Durchschnitt mit einer Geschwindigkeit von 115 cm pro Tag in Richtung Norden. Täglich müssten sich also viele Arten, Pflanzen, Tiere, einschließlich wir Menschen, diese 115 cm nordwärts bewegen, damit wir unter ähnlichen klimatischen Bedingungen leben, wie wir es jetzt tun.

Wie würden Sie das machen? Was mitnehmen? Was ist darin Heimat? Wie geht Fremde? Nomadisches Leben? Was bedeuten in dieser Migratio persönliche oder territoriale Grenzen? Wie geht darin ein universelles Wir der Gleichheit, der Vielfalt? Und was ist, wenn sich jemand nicht bewegen will?…

Diese Fragen trägt der Performance-Künstlers Stephan US in dem Projekt 115 cm trotz aller Ernsthaftigkeit mit Lust am Spiel künstlerisch ins Öffentliche. Im Zusammenwirken Vieler entstehen Versuchsanordnungen, absurde Wanderungen, skulpturale Interventionen, ein Film und künstlerische Gesten. Eine dieser Gesten heißt „Die Gabe“ und ist eine Geste des Gebens und Nehmens. In ihr sitzt Stephan US festlich gekleidet still auf der Erde. Seine Hand wandert jeweils 115 cm vor Ort durch die Erde und bringt „Die Gabe“ hervor. Im griechischen Thrakien, das von Armut, Dürre und Bränden gebeutelt ist, war es Süßwasser, in Münster auf dem Unigelände, wo gelehrt und gelernt wird, war es das Nichts.

Im Kunstverein des Kreises Gütersloh breiten sich diese Gesten, Interventionen, Texte und Filme installativ aus, um sich schließlich bis in den öffentlichen Raum zu bewegen – Performance, Aktion und Mitmachen inklusive. „Diese Bewegung im Öffentlichen ist mir künstlerisch wichtig und vielleicht ist die Migratio = Bewegung die einzige Konstante in dieser Zeit?“ so Stephan US. „Eine Reise ist es wert“.

1 Studie – The velocity of climate change Published: 24 December 2009 by S. Loarie, P. Duffy, H. Hamilton u.a. – Nachzulesen

Foto – Credits: 115cm-Die Gabe
Foto und Rechte: Stephan US – VG Bild-Kunst Bonn 2024